Nach Aussage von Sam Altman ist der Chatbot aktuell noch ein Embryo, dafür leistet er aber erstaunlich viel. Ein Blick in die Zukunft und das Potential von KI.
Welche Möglichkeiten wird künstliche Intelligenz in 10, 20, ja 50 Jahren besitzen? Auf mittlere Sicht will Altman Mensch und Maschine verschmelzen, das System so intelligent machen, dass ein Unterschied zum Menschen nicht mehr zu erkennen ist. Doch wie wird es sein, wenn wir Maschinen nicht mehr vom Menschen unterscheiden können? Es gibt bereits moderne Algorithmen, die keine fünf Sekunden benötigen, um unsere Stimme zu analysieren und mit hoher Präzision zu klonen.
Samsung nutzt eine solche Technik schon im Smartphone S23.
Der Algorithmus „Deep Voice“ kann gar eine einmal erfasste Stimme beliebige Sätze sprechen lassen, Tonfall oder Akzent sind nachträglich veränderbar. Das ist ebenso faszinierend wie verstörend. Faszinierend, wenn beispielsweise allein-stehende Senioren eine ihnen vertraute Stimme hören und das positive Energien freisetzt. Was aber, wenn sich jemand unsere Datensätze aneignet und widerrechtlich unsere Identität annimmt? Wie wissen wir, mit wem wir wirklich sprechen, wenn wir es mit einer perfekt geklonten Stimme zu tun haben? Da Künstliche Intelligenz inzwischen auch Bilder fotorealistisch generieren kann, wie wissen wir, ob beispielsweise ein Nachrichtensprecher tatsächlich ein Mensch ist oder nur ein täuschend echtes, maschinell generiertes Abbild?
Manipulation könnten Tür und Tor sperrangelweit geöffnet wer-den. Inzwischen regt sich Widerstand. Viele Wissenschaftler weltweit, darunter der renommierte Professor für Mathematik und Informatik Joachim Weickert der Universität des Saarlandes, melden starke Bedenken an dem rasanten Fortschritt von KI und dem „Überbietungswettbewerb der Tech-Konzerne“ an. Sam Altman selbst sieht in Künstlicher Intelligenz auch Gefahren, denn Gesellschaftssysteme, Regierungen halten nicht Schritt mit dem Tempo der Entwicklung.
Die Antworten von ChatGPT sind so gut, wie es die hinterlegten Informationen zulassen. Tatsächlich sind viele Antworten derzeit noch falsch oder nur teilweise korrekt. Manche Informationen werden gar komplett ausgeblendet. Das birgt Gefahren. So werden wir in vielen Fällen Antworten der KI unreflektiert als gegebene Tatsache ansehen. Allzu menschlich, wenn unser Gegenüber, der Chatbot, so menschlich wirkt und wir zugleich denken: Das ist ein Computer, der macht keine Fehler. Viele Schüler und Studenten nutzen den Chatbot zur Erledigung der Hausarbeiten, denn auch darin ist ChatGPT sehr gut. Doch was geschieht mit unserem Gehirn, wenn wir es aus Bequemlichkeit nicht mehr nutzen, um komplexe Aufgaben zu lösen? In dieser Hinsicht ist das Gehirn ein Muskel, der verkümmern kann. Italiens Regierung diskutiert aktuell über eine Altersschranke beim Zugang zu Chatbots wie ChatGPT.
Hightech fürs Gehirn
Eine reale Verbindung von Mensch und Maschine wird in München in einer Studie am Technischen Universitätsklinikum „Rechts der Isar“ erprobt. Ziel der Mediziner und interdisziplinären Wissenschaftler ist, Menschen mit Verlust des Sprechvermögens (Aphasie) wie-der eine Stimme zu geben. „Gedanken hörbar machen“, nennt es Professor Bernhard Meyer, der Direktor der Neurochirurgie des Klinikums.
Dazu verwenden die hochkarätigen Spezialisten ein Neuroimplantat, das mit der Hirnrinde verbunden wird. Sensoren liefern Daten über die elektrische Aktivität im Gehirn und sollen helfen, zu verstehen wie unser biologisches neuronales Netzwerk Sprache bildet. Schlaganfall-Patienten leiden sehr oft an Aphasie, für sie könnte es ein Segen sein, wenn sie eines Tages über ihre Gedanken einen Sprachcomputer steuern können. Bis dahin ist noch enorme Grundlagenforschung zu leisten. Oder sind wir doch schon weiter?
Ich sehe, was Du hörst
Kürzlich ist es dem Informatiker Ian Daly von der „University of Essex“ gelungen mithilfe eines neuronalen Netzes festzustellen, welche Musik Probanden hören – alleine anhand der Gehirnströme. Dabei ist Musik ein extrem komplexes, akustisches Signal. Sind wir in der Lage die Hirnströme von außen über Elektroden zu erfassen und zu entschlüsseln, kann das zu einer enormen Hilfe für Menschen werden. Doch wie weit ist der Weg noch, bis Gedanken zu einem offenen Buch werden, sie als gemessene Hirnströme in Form von Datensätzen irgendwo landen?
Unternehmen sammeln Daten, vielleicht so-gar mit den besten Absichten und schließlich ist auch eine Klinik ein Unternehmen. Ramesh Srinivasan, Professor für Informationsstudien an der Universität von Los Angeles stellt bezüglich OpenAI zu Recht Fragen:
- Welche Daten sammeln sie?
- Wie werden sie korrelliert?
- Wie lange gespeichert?
Auch das „Wo“ ist sehr wichtig. Wie stellen Unternehmen sicher, dass die gesammelten Daten alleine auf deren Servern bleiben? Wie ausgereift ist die eigene Technologie, Daten zu schützen?
Bequemlichkeit hat einen Preis
Es war noch nie so wichtig, sich damit zu befassen, welche Daten wir freiwillig zur Verfügung stellen. Wir müssen unsere eigenen Verhaltensweisen hinterfragen. Allzu oft stimmen wir den Nutzungsbedingungen von Apps und Webseiten vollumfänglich zu, ohne nachzudenken. Wer scrollt schon gern minutenlang hin und her, um die entsprechenden Parameter anzupassen?
So aber werden wir leicht zum gläsernen Nutzer. Immerhin: Mit Browsern wie Brave können wir einem Teil der Datenausspähung entgehen. Der Preis für unsere Bequemlichkeit kann hoch sein, insbesondere wenn Künstliche Intelligenz in Zukunft die ausgewerteten Daten verknüpft.
Keine Panik
Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter. Das eröffnet Chancen, vielleicht größere als die der vergangenen industriellen Revolution, die die Welt gewaltig nach vorne gebracht hat. Es liegt an uns, wie wir mit Veränderungen umgehen, die Chancen nutzen, dabei eventuelle Gefahren nicht aus den Augen verlieren und mit gesunder Skepsis betrachten. Panik ist kein guter Ratgeber – Aufklärung dagegen schon. Das Gestalten der Zukunft beginnt stets bei uns selbst.