Analog-Tape: Comeback der Musikkassetten

Musikkassetten - Teac W-1200-B

Nach der Vinyl-LP meldet sich ein zweiter Überleben-der aus dem Analog-Zeitalter: Die Kompaktkassette, Compact Cassette, Musikkassetten oder Musicassette, kurz MC, feiert in ihrer Nische ein kleines Comeback. Sogar Geräte gibt es wieder.

Es war einmal … Ja, lange bevor die Algorithmen der Streamingdienste von einem Titel zum nächsten lotsten, alles immer überall zur Verfügung stellten, da gab es ein Medium, das die Persönlichkeit eines Musikhörers wie kein zweites zum Ausdruck brachte. Das selbst zusammengestellte Mix Tape. Auf einem Tonträger, der seit seiner Markteinführung 1963 einen unvergleichlichen Siegeszug antrat, der bespielt oder unbespielt in den 1970er und 80er Jahren ins Musik- und/oder Jugendzimmer gehörte wie die Chipstüte und Colaflasche: Die Musicassette, herzulande abgekürzt zu MC, andere Länder kannten sie auch als CC wie Compact Cassette. Die Musikindustrie warf parallel zur LP millionenweise bespielte MCs auf den Markt, von den Myriaden Kindheitsbegleitern wie Benjamin Blümchen, Bibi Blocksberg oder den drei Fragezeichen ganz zu schweigen. Die HiFi-Industrie hatte das anfangs bescheiden quäkende Entlein längst zum volltönenden Schwarm gezüchtet. 1968 entwöhnte das Dolby System das mit 4,75 Zentimeter pro Sekunde laufende, 3,81 Millimeter breite, in einem 10,16 cm × 6,35 cm × 1,27 cm großen Gehäuse rotierende Band vom Rauschen, 1979 machte es Sonys Walkman wunderbar mobil. Dann fraß die digitale Revolution der MC Markt, Möglichkeiten und Mischungen weg. Im Gegensatz zur LP, die DJs und Audiophile auch über schwerste Zeiten am Leben hielten, schien die MC komplett weg vom Fenster. 2015 stellte das letzte deutsche Werk die letzte Produktion ein, die Fabriken für Leerbänder Kassettewaren längst dicht. Und dann: Angeregt vom herrlichen Fantasy-Film „Guardians of the Galaxy“ machten auf einmal Stars wie Justin Biber, Weeknd, Erasure, Lana del Rey oder Kylie Minogue plötzlich wieder in MC, sogar Metallica legten Deluxe-Sets bespielte MCs bei.

Player für Musikkassetten: Teac W-1200 - Audiokassette - Musikkassetten
Doppeltes Vergnügen: Das Doppel-Musicassetten-Deck „Teac W-1200“ ist die aktuelle Traummaschine für MC-Fans. Die beiden unabhängigen Laufwerke können aufnehmen und wiedergeben, dazu sind Mischungen von Line-Quellen mit dem eingebauten Mono-Mikrofon-Eingang möglich. Das Ergebnis und natürlich auch die alte MC-Sammlung kann man per USB auf den Computer zum Digitalisieren schicken oder per Tape Dubbing Sicherheitskopien erstellen. Rauschunterdrückung und Tonhöhenverstellung gibt es auch.

Bands aus musikalischen Randbereichen geben ihre Erzeugnisse in maximal dreistelliger Auflage auf MCs heraus. Und während in Indonesien und Korea wieder Leerkassetten produziert werden, entmotten viele ihre alten Rekorder. Während die Reinigung der Tonköpfe mit Wattestäbchen und Isopropylalkohol noch relativ easy ist, sollte man die technische Wiederaufbereitung (Stichworte: Azimuth-Justage, Bandzukontrolle, Entmagnetisierung etc.) den Fachleuten beim Media@Home-Händler überlassen. Oder gleich die vom einstigen Tonband-Technik-Giganten Teac angebotenen neuen Spielsachen ordern.

Lou Ottens lebte bis zu seinem Tod in Eersel bei Eindhoven.

Der Erfinder der Audiokassette

Bereits als Jugendlicher während des Zweiten Weltkriegs baute Ottens für sich ein Radio, um heimlich den Rundfunk der Alliierten mitzuhören. Nach dem Krieg arbeitete er für drei Jahre in einer Fabrik für Röntgen-Technik, um für die elterliche Familie etwas hinzuzuverdienen. Ottens studierte an der Technischen Universität(TU) in Delft. Ab 1960 arbeitete er in der Abteilung Produktentwicklung im neuen Werk des Unternehmens Philips im belgischen Ort Hasselt, wo niederländische und belgisch-flämische Entwickler eng kooperierten. Im weiteren Verlauf seiner Karriere war Ottens bei Philips in Eindhoven als Leiter der Audio-Video-Abteilung sowie als Direktor tätig (1970er Jahre). Die Kompaktkassette wurde von Lou Ottens und seinem Entwicklungsteam in Hasselt, darunter insbesondere dem Entwickler des Gehäuses Johannes J. M. Schoenmakers, zwischen 1960 und 1963 entwickelt und Ende August 1963 vom niederländischen Unternehmen Philips eingeführt. Nicht zuletzt durch den großen Erfolg dieses neuen Tonträgers gelang es Philips bis 1970, die Marke von 5000 Mitarbeitern zu überspringen. Rund 20 Jahre später, in den Jahren 1981 und 1982, war Ottens bei Philips an der Entwicklung der Compact Disc beteiligt, die 1982 eingeführt wurde.

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